Nachruf auf Prof. Dr. Hans-Hasso Frey (21.09.1927–28.12.2020)
News vom 21.01.2021
Prof. Dr. Hans-Hasso Frey ist am 28. Dezember 2020 im Alter von 93 Jahren in Neustadt in Holstein verstorben. Frey war eine außergewöhnliche Persönlichkeit als international renommierter Wissenschaftler, akademischer Lehrer und engagierter Hochschulpolitiker.
In Leipzig geboren wuchs Frey in Hannover auf und studierte dort von 1946 bis 1950 Veterinärmedizin. Sein Interesse an der Pharmakologie zeigte sich damals schon bei der Auswahl seiner Doktorarbeit über die lumbosakrale Epiduralanästhesie beim Hund, die er unter der Anleitung von Professor Völker in Hannover anfertigte und mit der er 1951 promoviert wurde. Nach einem kurzen Intermezzo in der tierärztlichen Praxis, fiel 1953 seine endgültige Entscheidung für die Pharmakologie, indem er am Pharmakologischen Institut der Universität Hamburg bei Professor Soehring eine Stelle als wissenschaftlicher Mitarbeiter annahm. Dort widmete er sich in den folgenden drei Jahren weiter anästhesiologischen Fragestellungen. Nach einem kurzen Zwischenaufenthalt 1956 am Pharmakologischen Institut der Tierärztlichen Fakultät der Universität München bei Professor Karl Zipf, kehrte er noch im selben Jahr auf der Suche nach effizienten Arbeitsmöglichkeiten zu Völker an das Pharmakologische Institut der Tierärztlichen Hochschule Hannover zurück. Mit einer grundlegenden Arbeit über den Stoffwechsel von Kurznarkotika aus der Reihe der Barbitursäurederivate habilitierte sich Frey dort 1958 für Pharmakologie. Er blieb anschließend als Privatdozent in der Stellung eines wissenschaftlichen Assistenten noch bis 1961 an diesem Institut. In diese Zeit reichen seine ersten Untersuchungen über Antiepileptika zurück. 1961 übernahm Frey die Leitung der pharmakologischen Abteilung der Firma Leo Pharmaceutical Products in Ballerup/Dänemark. Dort konnte er für die häufig wechselnden Fragestellungen eines innovativ forschenden pharmazeutischen Unternehmens seine pharmakologischen Erfahrungen auf der ganzen Breite der experimentellen Pharmakologie umsetzen und erweitern. So war er unter anderem mit immunologischen Fragestellungen und mit der Entwicklung von Diuretika befasst. Bumetanid, ein in verschiedenen Ländern erfolgreich eingesetztes, hochwirksames Schleifendiuretikum, wurde maßgeblich unter seiner Leitung entwickelt und dieser Wirkstoff ist eng mit seinem Namen verbunden. Sein Interesse galt auch weiterhin der ZNS-Pharmakologie, indem er seine in Hannover begonnenen Studien über Kurznarkotika und Antiepileptika fortführte und sich mit der pharmakologischen Beeinflussung von Neurotransmittersystemen beschäftigte. Mit diesem weit über das eigene Spezialgebiet in verschiedenste Teilgebiete der Pharmakologie hinausreichenden Betätigungsfeld konnte sich Frey eine heute selten gewordene Vielseitigkeit als Pharmakologe erwerben. Während seiner Zeit in Dänemark, in der er seine Vorliebe für die seinem norddeutschen Naturell entsprechende dänische Lebensweise entdeckte, hielt er weiter Vorlesungen an der Tierärztlichen Hochschule Hannover und erhielt 1964 von dort die akademische Würde eines außerplanmäßigen Professors verliehen. Von den 1968 gleichzeitig an ihn ergangenen Rufen auf den Lehrstuhl für Pharmakologie, Toxikologie und Pharmazie der Tierärztlichen Fakultät der Universität München und den Lehrstuhl für Pharmakologie und Toxikologie des Fachbereichs Veterinärmedizin der Freien Universität Berlin nahm er zum 1. Oktober 1969 den Ruf nach Berlin an. Einen erneuten Ruf auf den Lehrstuhl in München lehnte er 1972 ab und leitete bis zu seiner Emeritierung 1996 über 25 Jahre das Institut für Pharmakologie und Toxikologie am Fachbereich Veterinärmedizin der FU Berlin.
Frey setzte in Berlin seine Studien zur ZNS-Pharmakologie und über Diuretika fort und entwickelte das Berliner Institut mit Ideenreichtum, forscherischem Weitblick und unter Bewältigung eines riesigen Arbeitspensums trotz der beengten räumlichen Verhältnisse zu einer der forschungsaktivsten Einrichtungen des Fachbereichs Veterinärmedizin. Die Epilepsieforschung rückte bald in den Mittelpunkt, wobei sich seine Arbeitsgruppe, eingebunden in intensive interdisziplinäre Zusammenarbeit, mit grundlegenden Arbeiten zur Pharmakologie von Antiepileptika hohes internationales Ansehen erwarb, das sich unter anderem daran ermessen lässt, dass ihr eine tragende Rolle in einem langjährig von der DFG geförderten Schwerpunktprogramm zukam und Frey 1985 zusammen mit dem Neurologen Professor Dieter Janz ein Standardwerk über Antiepileptika (Handbook of Experimental Pharmacology, Vol. 74) herausgab. Weiterhin erhielt er 1980 vom Epilepsie-Kuratorium in Bonn den Alfred-Hauptmann-Preis. Zusammen mit Janz initiierte Frey an der FU in Berlin ein regelmäßiges epileptologisches Kolloquium, an dem alle an Epilepsie Interessierten Berliner Wissenschaftler teilnahmen, um neue Ergebnisse aus der Forschung zu präsentieren und auszutauschen.
Daneben hat Frey stets auch die anderen Problemkreise der Pharmakologie aufmerksam beobachtet und immer ein reges Interesse an klinisch-pharmakologischen und veterinärmedizinisch relevanten Fragestellungen gezeigt, von denen er eine Vielzahl aufgegriffen und in Zusammenarbeit mit klinischen Einrichtungen bearbeitet hat. Das Ergebnis dieser breiten und intensiven wissenschaftlichen Tätigkeit sind über 200 wissenschaftliche Originalarbeiten und Handbuchartikel sowie zahlreiche Vorträge auf nationalen und internationalen Tagungen. Mit stets neuen Denkansätzen und dem Mut zu neuen Methoden hat Frey viele junge Kollegen geprägt und ihnen das Rüstzeug für späteres erfolgreiches wissenschaftliches Arbeiten gegeben. Von seinem Wissen und Können profitierten nicht nur seine Schüler und Mitarbeiter, sondern auch Fachkollegen, die das Glück hatten, mit ihm enger zusammenzuarbeiten. Aufgrund seiner hohen fachlichen Kompetenz war er auch ein gefragter Experte in zahlreichen Kommissionen. So war er beispielsweise Mitglied der Arzneibuchkommission und des Ausschusses für Standardzulassungen beim früheren Bundesgesundheitsamt (BGA). Ferner war er langjähriger Vorsitzender des wissenschaftlichen Beirats des Instituts für Arzneimittel des BGA sowie Mitglied der Zulassungs- und Aufbereitungskommission für Tierarzneimittel am BGA.
Neben der Forschung war für Frey die Lehre ein besonderes Anliegen. Er hat vielen Studentengenerationen den Einstieg und das Verständnis für Pharmakologie und die Voraussetzungen für einen gezielten und gewissenhaften Umgang mit Arzneimitteln vermitteln können, wobei er wie kaum ein anderer über weite Bereiche aus dem Fundus eigener experimenteller Erfahrungen schöpfen konnte. Anfang der 1990er Jahre begann Frey zusammen mit seinem früheren Schüler Löscher das erste deutschsprachige Lehrbuch der Pharmakologie und Toxikologie für die Veterinärmedizin zusammenzustellen, das 1996 erschien und bis heute, inzwischen in der 4. Auflage, als Standardwerk dieses Faches gilt. Darüber hinaus fand Frey immer noch Zeit für hochschulpolitisches Engagement und die Übernahme verschiedener Aufgaben im Fachbereich und in der universitären Selbstverwaltung. Als Vorsitzender bzw. Sprecher des Fachbereichs hatte er von 1976 bis 1979 und von 1981 bis 1983 die dem Dekan entsprechenden Funktionen inne. Hier hat er sich u.a. tatkräftig für die Schaffung der Tierärztlichen Ambulanz Schwarzenbek (1979) eingesetzt, um eine vollständige moderne tierärzliche Ausbildung gewährleisten zu können, die wegen der Insellage Westberlins gefährdet war. Weiterhin war er viele Jahre alsVorsitzender der Promotionskommission des Fachbereichs bemüht, den Qualitätslevel der Dissertationen hoch zu halten.
Frey war ein gesuchter Ratgeber, nicht nur wegen seiner großen Sachkunde, sondern auch wegen seiner, sicher nicht immer bequemen, unbestechlichen Kritik und Offenheit. Mit unermüdlicher Triebkraft und Schaffenskraft widmete sich Frey all diesen vielfältigen Aufgaben.
Nach seiner Emeritierung zog Frey mit seiner Frau nach Neustadt in Holstein und damit in den geliebten Norden. Noch bis 2010 arbeitete er aktiv an neuen Auflagen seines Lehrbuchs und besuchte Tagungen. Nach dem frühen Tod seines Sohnes Matthias und, später, seiner Ehefrau Anni zog sich Frey zunehmend zurück, blieb aber früheren Schülern und Kollegen ein interessierter Ansprechpartner und Freund. Wir werden ihn vermissen und das Andenken an ihn in Ehren bewahren.
Prof. Wolfgang Löscher (Hannover)
Prof. Heidrun Fink (Potsdam)
Prof. Hartmut Weiß (Berlin)