Interview mit Lehrpreisträger Dr. Stefan Borchardt
Dr. Stefan Borchardt: wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Nutztierklinik, Abteilung Wiederkäuer & Kameliden, Abteilung Schweine, AG Reproduktionsmedizin & Eutergesundheit
v.l.n.r.: Leon Heinrich, Vorsitzender der Fachschaft; Dr. Stefan Borchardt, Lehrpreisträger 2025; Prof. Jörg Aschenbach, Prodekan für die Lehre
Bildquelle: Friederike Grasse, 2025
„Wir versuchen, die Inhalte nicht so komplex wie möglich zu erklären, sondern versuchen erst mal, es soweit herunterzubrechen und wichtige Dinge herauszuarbeiten, so dass sie es grundsätzlich verstehen.“
Bildquelle: Friederike Grasse, 2025
„Privat treibe ich gerne Sport, bin draußen, gehe laufen, Fahrrad fahren und unternehme viel mit meiner zweijährigen Tochter.“
News vom 19.03.2025
Für welche Veranstaltung bekommen Sie den Lehrpreis?
Für die klinische Demo (6. und 7. Semester). In diesem Fall ging es um eine Fetotomie, die wir zu Halloween thematisierten. Für diesen speziellen Teil der Geburtshilfe haben wir uns auch extra verkleidet und quasi ein bisschen in Schale geschmissen. Das kam sehr gut an.
Welche Module/Fächer/Veranstaltungen unterrichten Sie (ggf.) darüber hinaus?
Ich unterrichte in der Klinischen Rotation, Propädeutik und Lehre für die ganzen Organmodule, die es in dem Reproduktionsbereich gibt: Euter, Geburt, Puerperium, Neonatologie, Wahlpflichtkurs.
Seit wann sind Sie am Fachbereich?
Seit 2014.
Seit wann unterrichten Sie?
Eigentlich unterrichte ich seit Tag 1.
Womit beschäftigen Sie sich, wenn Sie nicht in der Lehre tätig sind?
Unsere drei Standbeine sind Lehre, Forschung, Dienstleistung. Meine Forschung befasst sich im weitesten Sinne mit der Reproduktion beim Wiederkäuer, speziell bei der Milchkuh. Im letzten Jahr habe ich mich in dem Fach habilitiert. Im Rahmen meiner Forschungstätigkeit bearbeitete ich auch weitere Aspekte, unter anderem Kolostromanagement beim Kalb und die Transitkuhgesundheit, also alles, was den Stoffwechsel rund um die Kalbung betrifft. Als Dienstleistung ist all das zu verstehen, was in der Klinik ansteht. Hier bin ich seit letztem Jahr innerhalb der Nutztierklinik interimsmäßig für die Schweine zuständig.
Privat treibe ich gerne Sport, bin draußen, gehe laufen, Fahrrad fahren und unternehme viel mit meiner zweijährigen Tochter. Wir haben ein Grundstück mit relativ großem Garten und versuchen uns gerade in der Eigenversorgung, unter anderem haben wir Hühner großgezogen. Auch gehe ich gern Angeln.
Was denken Sie, machen Sie in Ihren Veranstaltungen besonders gut – also was ist es, was bei den Studierenden besonders gut ankommt?
Wir haben ein Rollenmodell, gerade hier in der Reproduktionsmedizin. Das ist das Buch von P.L. Senger mit dem Titel „Pathways to Pregnacy and Parturition“. Dort steht im Vorwort ein wichtiger Gedanke:
„It’s not only about making sure the information is correct but it is also about making sure people can understand it. If they can understand it, it really doesn't matter if it is correct.”
Ich glaube, das ist ein Credo, das wir alle versuchen umzusetzen. Wir versuchen, die Inhalte nicht so komplex wie möglich zu erklären und auch nicht bis ins letzte Detail in die Studierenden „reinzuhämmern“, sondern versuchen erst mal, es soweit herunterzubrechen und wichtige Dinge herauszuarbeiten, so dass sie es grundsätzlich verstehen. Zudem haben wir in unserer Arbeitsgruppe alle von Prof. Dr. Wolfgang Heuwieser profitiert, dem Vorgänger von Prof. Drillich. Für ihn war Lehre immer besonders wichtig und er hat es auch geschafft, auf eine gute Art und Weise, diesen Gedanken bei uns zu implementieren – in Kombination mit Forschung. Wir lehren evidenzbasiert, im Idealfall untermauern wir die Sachverhalte und Kontexte mit eigenen Studien.
Was motiviert Sie im Hinblick auf die Lehre?
Ich glaube, unsere Kernaufgabe an der Uni ist die Ausbildung von Studierenden. Ich habe das Gefühl, dass das am Fachbereich nicht alle so wahrnehmen. Was mich motiviert ist, dass die Studierenden in der Regel sehr neugierig sind. Man wird immer herausgefordert, sich selbst und die Lehrkonzepte, die man hat, kritisch zu hinterfragen. Auch motiviert mich das Gefühl, jemandem etwas mitzugeben, das ihm vielleicht im beruflichen Leben hilft.
Was macht Ihnen an der Lehre besonders Spaß und was ggf. weniger oder gar nicht?
Die Propädeutik hat beispielsweise weniger erfreuliche Aspekte. Da müssen wir quasi 160 Studierende in einer Art Modulsystem durch diese Thematik bringen. Da kann es vorkommen, dass man in einer Woche einen bestimmten Teilkurs sechs Mal hintereinander gibt. Dieses Repetitive erinnert mich an den Film „Und täglich grüßt das Murmeltier“ und zählt nicht unbedingt zu meinen Lieblingsaufgaben. Aber grundsätzlich finde ich die Kleingruppenunterrichte, bei denen man auch hands-on etwas am Tier machen kann, richtig gut. Auch die Ausfahrten in die Betriebe gefallen mir sehr, wenn ich den Studierenden eine reale Lernumgebung zeige und dort auf Dinge hinweisen kann, die hier vielleicht nicht so präsent sind.
Was möchten Sie Ihren Studierenden gern über die Lehrinhalte hinaus mitgeben?
Wichtig finde ich, dass wir an der Uni nicht zu dogmatisch sind, was bestimmte Therapieprinzipien angeht. Denn am Ende müssen die Studierenden im Berufsleben ja selbstkritisch sein, abwägen und idealerweise gute Entscheidungen treffen. Darauf möchte ich sie vorbereiten.
Zutreffend sind auch Bierdeckelsprüche wie „Häufiges ist häufig und Seltenes ist selten!“. Bei der Fülle des Wissens, das sie im Studium mitbekommen, ist es wichtig, sich auf die wesentlichen Sachen zu konzentrieren. Das tolle an unserem Beruf ist, dass wir so breit ausgebildet werden.
Warum ist Ihr (Vorlesungs-)Thema Ihr Thema? Was fasziniert und interessiert Sie besonders daran?
Der Bereich Reproduktion ist sehr vielschichtig und interdisziplinär. Von der Befruchtung bis zur Geburt ist vieles dabei. Für die Milchviehbetriebe ist es essentiell, Tiere mit guter Fruchtbarkeit zu haben, um profitabel zu sein. Die Verzahnung von Fruchtbarkeit und Tiergesundheit an sich fand ich immer spannend.
Ich habe mir meine Lehrthemen ja nicht wirklich ausgesucht, sondern bin da vielmehr reingewachsen - auch über die Themen, die ich in der Forschung bearbeite.
Erinnern Sie sich noch an Ihre erste Vorlesung/Veranstaltung? Wie fühlte es sich an, das erste Mal „auf der anderen Seite zu stehen“? Lief alles nach Plan?
Es lief bestimmt nicht alles nach Plan. Ich erinnere mich ehrlich gesagt nicht mehr genau an meine erste Vorlesung. Aber wenn ich die Vorlesungsunterlagen von heute mit denen aus meiner Anfangszeit vergleiche, sehe ich auf jeden Fall eine Entwicklung. Heute versuche ich deutlich mehr Bilder und Videos einzubinden. Das hat sich mit der Verpflichtung zur Online-Lehre während Corona natürlich sehr gut entwickelt, weil wir da einfach herausgefordert waren, neue Lehrkonzepte zu entwickeln und zu probieren, z.B. die Online-Übertragung von Operationen und das Erstellen von Videos für bestimmte Tätigkeiten.
Für die Weiterentwicklung und Verbesserung ist natürlich ehrliches Feedback wichtig. Ich frage Studierende regelmäßig, was gut und was schlecht war und was wir besser machen können. Nach jeder Staatsexamensprüfung in der Reproduktion, also wenn die Noten feststehen, stelle ich diese Fragen zu meiner Lehre. Da werden oft Punkte genannt, die wir gerne annehmen, um uns zu verbessern.
Denken Sie gern an Ihre eigene Studienzeit zurück? An was?
Auf jeden Fall. Das war bis jetzt die schönste Zeit. Mir hat gefallen, dass wir eine so gute Kameradschaft hatten. Im Studium habe ich viele Freunde gefunden, die auch heute noch eine Rolle in meinem Leben spielen. Ich war einer, der relativ häufig in den Vorlesungen war. Gar nicht unbedingt, weil ich die Vorlesungen so toll fand, sondern weil ich einfach dieses Campusleben sehr mochte. Auch dass ich eigene Schwerpunkte setzen konnte, fand ich gut. Selbstverständlich gehörten zum Studium auch die ganzen Feiern. Und nicht zuletzt hat Berlin an sich natürlich auch viele Vorzüge.
Welche Eigenschaften haben Sie als Student an Ihren Professoren/Lehrenden geschätzt und gemocht? Denken Sie manchmal daran, wenn Sie lehren?
Ich glaube schon, dass ich im Besonderen durch Prof. Heuwieser geprägt wurde. Ich habe ihn ja auch als Lehrenden erlebt. Das ganze Team der Reproduktion war schon in meinem Studium sehr beliebt bei den Studierenden, weil sie einen guten Spirit hatten und neben der Lehre auch einige Partys am Fachbereich etablierten, z.B. Docs on Decks.
Gemocht habe ich grundsätzlich die Lehrenden, bei denen man merkte, dass sie von ihren Themen fasziniert sind und diese Faszination auch vermitteln und gut erklären konnten.Ich denke schon daran zurück. Aber ich bemerke auch Unterschiede, je weiter ich mich von meinem Studium entferne. Jüngere Kolleg*innen oder Assistent*innen haben oft eine andere Perspektive als ich. Man entwickelt sich im Laufe der Zeit ja doch zu so etwas wie einem „Fachidioten“. Bestimmte Termini oder Zusammenhänge werden einem im Laufe der beruflichen Tätigkeit so geläufig, dass man sie unbewusst voraussetzt und dabei manchmal vergisst, wie kompliziert das für die Studierenden ist. Da muss man schon aufpassen, nicht in diesen komplexen Sachverhalten abzudriften, sondern sich auf der Ebene der Studierenden zu bewegen.
Ich wünsche mir, dass der Fachbereich die Lehre grundsätzlich höher einstuft und die Ausbildung der Studierenden unser aller oberstes Ziel und wichtigste Aufgabe ist. Alles andere sollte man meiner Meinung nach dem unterordnen oder zumindest gut verbinden.
Zudem sollten wir die Studierenden ermuntern, ihrer Pflicht nachzukommen, Dinge, die ihnen nicht gefallen zu äußern – sie an den Lehrdekan oder Vertrauenspersonen heranzutragen oder sich mit dem oder der Lehrenden direkt auszutauschen.
Das Interview führe Friederike Grasse.