Schon unter Friedrich dem Großen hatte man erkannt, daß die Veterinärwissenschaften von außerordentlichem Nutzen sein könnten und daß es wichtig sei, einen Lehrort dafür zu schaffen. Das Ober-Collegium Sanitatis wurde deshalb 1767 von Friedrich II. beauftragt, einen Bericht vorzulegen. Der Geheime Rat Christian Andreas Cothenius, "erster Leibarzt:Generalstabsmedikus und Direktor aller medicinisch=chirurgischen Sachen u.s.w." verlas diesen Bericht am 21. Januar 1768 in der Akademie der Wissenschaften. Um 1770 war man soweit gediehen, daß Bauvorschläge ausgearbeitet wurden, Friedrich II. beließ es jedoch dabei, weil sich kein Geld für das Unternehmen fand. Der Bericht Cothenius' wurde jedoch als so wichtig erachtet, daß er in verschiedene wissenschaftliche Aufsatzsammlungen Eingang fand und so auch 1786 in der "Sammlung der vorzüglichsten Schriften aus der Thierarzney" auf Deutsch abgedruckt wurde.
Im gleichen Jahr starb Friedrich II., und sein Nachfolger, sein Neffe Friedrich Wilhelm II., machte sich sofort zu Beginn seiner Regierungszeit die Verschönerung der Stadt zur Aufgabe. Diese "Embellierung" bezog sich zum einen ganz konkret auf ein ästhetisch ansprechendes Stadtbild, so gilt z.B. das Brandenburger Tor (von Carl Gotthard Langhans, der auch die Gründungsanlage der Tierarzneischule entwarf, s. Teil II) als schlagendes Beispiel für den neuen frühklassizistischen Baustil, der das Friderizianische Rokoko ablösen sollte. Zum anderen aber gehörte zu einer "verschönerten" Stadt für Friedrich Wilhelm II. auch die Neugründung oder Aufwertung von Institutionen, die dem Staatswohl dienlich sein würden. Die wünschenswerte Eindämmung von Tierseuchen und vor allem die militärische Bedeutung der Pferde ließen die Gründung einer Veterinärmedizinischen Lehranstalt ratsam erscheinen. Einige der Grundgedanken von Cothenius gingen auch in die Planung und Anlage dieser Schule ein. Aber bevor man diese einrichten konnte, mußte man erst einmal geeignetes Lehrpersonal finden und einen passenden Platz für die neuzuerbauende Institution bestimmen.
Das Lehrpersonal der ersten Lehrjahre bestand größtenteils aus Humanmedizinern, denen man an den verschiedenen bekannten europäischen Tierarzneischulen zunächst ein Zweitstudium auf Staatskosten ermöglichte.
An den Oberstallmeister Heinrich August Graf von Lindenau ging der Auftrag, "die nötigen Subjekte hierzu auszusuchen, um selbige auswärts studieren zu laßen". So schrieb Lindenau am 20 März 1787 an Friedrich Wilhelm II., daß er den Oberchirurgus Georg Friedrich Sieck (um 1760-1829) vorschlage, außerdem sollten zwei Hufschmiede (Kleinert und Sommer) mit nach Wien, "da die königliche Thierarzney Schule zu Wien, gegenwärtig mit die vorzüglichste ist". […] "Der gantze Lehr=Cursus dauere 2 Jahre und einige Monathe, und der Kaiser habe befohlen, daß jederzeit die öffentlichen Lehr=Stunden, für Freunde unentgeldlich gegeben werden solten". Für den Oberchirurgus Sieck sollten 120 Friedrichdor, für die Schmiede je 40 Friedrichdor jährlich zum Unterhalt gezahlt werden, Reisekosten und "Privat Collegia" müßten dazu auch aus der Hof-Staatskasse gezahlt werden.
Lindenau erinnerte auch daran, daß noch kein Bauplatz gefunden sei: "Zugleich wollte Ew. Majestät allerunterthänigst um Erlaubniß bitten, vorläufig in Berlin einen bequemen Platz zu einer Ecole Veterinäire aussuchen zu dürfen, indem wahrscheinlich, während deren 3 Jahren, da diese Leute studiren, Höchst Dieselben die nöthigen Gebäude nebst botanischem Garten, zu diesem für das gantze Land, und besonders für die Cavallerie, so wichtigem institut, werden Allergnädigst erbauen lassen wollen".
Im Rechnungsbuch aus den Jahren 1787 bis 1791 lassen sich die Ausbildungsorte der einzelnen zukünftigen Lehrkörper verfolgen. Sieck, Kleinert und Sommer gingen also zur habsburgischen Reitschule nach Wien. Ein weiterer zukünftiger Professor, Johann Georg Naumann (1754-1836), wurde zusammen mit dem Schmied Kindel an die Reitschule von Charenton bei Paris geschickt. Der Apotheker Ratzeburg (1758-1808) ging an die Akademie nach Leipzig. Der Bereiter Clauée bekam Lehr- und Unterrichtstunden an der Kurfürstlichen Reitbahn in Dresden.
Naumann schaffte schon in den Jahren 1788 bis 1789 Bücher und Instrumente für die Schule an und erhielt hierzu immer wieder größere Summen. Einen ständig wiederkehrenden Posten machten auch die "veterinärischen Reisen" aus, die allen Beteiligten aus der Staatskasse bezahlt wurden. Neben der Ausbildung späterer Lehrkörper, entlohnte man aber auch z.B. "den Doctor Pohl aus Leipzig für eine detaillierte Beschreibung der Thier Arznei Schule zu Lyon, welche er für den Obermarstall hat aufsetzen lassen".
Im März des Jahres 1790 schrieb Lindenau an den König, die Schule würde ab Mai funktionieren können, da zu diesem Zeitpunkt alle Beteiligten wieder in Berlin seien und ihre Vorkehrungen zur Unterrichtsaufnahme abgeschlossen hätten. Lindenau versprach seinem Dienstherren "mit Zuversicht […], daß dies Institut vielleicht das erste in ganz Europa werden soll". Aber zunächst gab es Streit um den von Lindenau vorgeschlagenen Etat der Schule. Friedrich Wilhelm II. war die gewünschte Summe von 19.985 Reichstalern viel zu hoch. Der Minister von Woellner hatte eine Notata an den Etat angehängt mit eigenen Einsparungsvorschlägen. An 22 Punkten glaubte er, den Etat um ein Drittel kürzen zu können. Manches mutet dabei wie eine Vorwegnahme unserer heutigen Politikerpläne an, unter anderem schlug er vor, keine Stipendien zu vergeben, denn "es werden sich junge Leute genug finden, welche für ihr eigenes Geld hier studiren werden". Auch bei der Bibliothek und den Instrumenten könne man sparen, wenn man jedes Jahr etwas neu dazu kaufe.
Lindenau war empört, er gab zu jedem Punkt eine Erwiderung, denn wenn er den Etat nach der Notata umarbeite, "könnte die Schule auf keine Weise mit Nutzen bestehen". Zudem sah er seine Integrität angezweifelt. Wenn es möglich sei, diese große Summe (7544 Reichstaler) einzusparen, dann habe er mit Recht verdient, bei seinem König in Ungnade zu fallen. Man einigte sich dann am 9. März 1790 auf einen Etat von 15.000 Reichstalern.
Verwendete Archivalia und Literatur:
Geheimes Staatsarchiv Berlin, Preußischer Kulturbesitz:
BPH Rep. 192, Ritz A, Nr. 1221
I.HA Rep. 36 Geheimer Rat Hof- und Güterverwaltung Nr. 2247/1 und 5
I.HA Rep. 96. Nr. 246 E Acta des Kabinets Friedrich Wilhelm II. Die Errichtung der ThierArzneiSchule zu Berlin
I.HA Rep. 96 A Etat u. Abschlüsse der Thierarzneischule, 74 F und G
- Albers, J.C.: Geschichte der Königlichen Thierarzneischule zu Berlin. Berlin, 1841
- Cothenius, Christian Andreas von: Gedanken über die Nothwendigkeit einer Vieharzneyschule. In: Sammlung der vorzüglichsten Schriften aus der Thierarzney. 2 (1786). S. 1-48
- Lötsch, Dieter und Rainer Struwe: Die Gründung der Tierarzneischule in Berlin. In: Deutrich, Volker (Hrsg.): Von der Königlichen Tierarzneischule zur Veterinärmedizinischen Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin. 179-1990. München, 1990
- Farchmin, Günter: Vue de la Zootomie à Berlin. In: Festschrift der HU zum 175 jährigen Bestehen der Veterinärmedizin. S. 155-165
- Schrader, G.W./Hering, Eduard: Biographisches-literarisches Lexicon der Thierärzte aller Zeiten und Länder. Stuttgart, 1863
Autorin: Carola Aglaia Zimmermann (2005)